Klassische Superzelle mit Hagelsturm in Tübingen-Pfrondorf
Am späten Freitagnachmittag bildeten sich in schwülwarmer Luft mehrere Gewitterzellen zwischen Schwarzwald und Schönbuch. Die Bedingungen für schwere Gewitter waren durch die Wettermodelle im Voraus nur sehr bedingt erkennbar. Durch eine lokale Windkonvergenz im Neckartal und leichter Windscherung mit der Höhe waren jedoch die Grundlagen für die Bildung von Superzellen in der Region Neckar-Alb gegeben. Somit wuchs ab ca. 17 Uhr am Südende des kleinen Gewitterkomplexes ein neuer kräftiger Aufwind rasch heran und bildete eine Mesozyklone aus, die mäßige bis starke Rotation aufwies. Während die generelle Zugrichtung der Gewitter Richtung Osten war, scherte die relativ kurzlebige Superzelle deutlich nach rechts Richtung Südosten aus.
Die folgenden Bilder und das Video zeigen diese Entwicklung direkt über Tübingen.
Während des frühen Entwicklungsstadiums konnte man die hochreichende Rotation innerhalb der Aufwindes deutlich erkennen, was nur sehr selten der Fall ist. Die Rotation war insgesamt ca. 40 Minute lang zu beobachten. In diesem Fall konnte man anhand der optischen Erscheinung des Gewitters sowie mit Hilfe der späteren Analyse von Radarbildern von einer (kurzlebigen) klassischen Superzelle ausgehen.
Im Grenzbereich zwischen Aufwind und dem durch Starkregen verstärkten Abwind begann es nun stark zu hageln, wie auf dem nächsten Bild zu erahnen ist. Zum Aufnahmezeitpunkt (17:24 Uhr) befand sich der stärkste Bereich des Hagelkerns über Tübingen-Pfrondorf. Von dort wurde kurze Zeit später von Hagel mit Durchmesser bis 5 cm berichtet.
Die Superzelle nahm nun immer mehr die optische Form einer klassischen Superzelle an: Stark rotierender fast kreisrunder Aufwindbereich unter dem sich eine tiefhängende und sehr turbulente Wallcloud befindet. Außerdem sieht man sehr schön den „Hagelfuß“, der mit sehr hoher Luftfeuchte am Boden mit großer Geschwindigkeit Richtung Süden in den Aufwindbereich hinein strömt und die Wallcloud fast bis zum Boden auskondensieren lässt.
Der Aufenthalt im Freien war zu diesem Zeitpunkt auch in größerer Entfernung zur Zelle sehr gefährlich, da einige Blitze weit außerhalb des Niederschlags östlich vor dem Gewitter in den Boden schlugen.
Um ca. 17:35 Uhr setzte auch am Beobachtungspunkt Hagelschlag ein – meist Korngrößen bis 2cm, ganz vereinzelt bis 3cm – vermischt mit einigen Regentropfen und kräftigen Windböen.
An der Wetterstation in Reutlingen-Rommelsbach fielen während des Gewitters insgesamt 25,9 l/m², fast 20 Liter davon innerhalb von 15 Minuten.
Diese Mengen reichten aus, um lokale Sturzbäche zu verursachen, wie hier von einem bereits abgeernteten Acker.
Nach Abzug des Gewitters zeigte sich das Kontrastprogramm in Höchstform und verbreitete widerum eine friedliche und sommerliche Stimmung – als wäre nichts geschehen.
Nachfolgend weitere Bilder aus Tübingen-Pfrondorf vom frühen Samstagmorgen, mehr als 12 Stunden nach dem Hagelunwetter.
Leider hat es in Pfrondorf viele Menschen hart getroffen. An einigen Stellen sammelten sich Hagelmassen und viele Autoscheiben wurden vom Hagel eingeschlagen.
Auch über 12 Stunden nach dem Ereignis konnten zahlreiche Hagelkörner bis 4cm gefunden werden.
Diese Strasse bedeckte der Hagel am Abend zuvor auf gesamter Breite mit einer ca. 50 cm hohen Schicht.
In manchen Hauseinfahrten lagen die angeschwemmten Hagelmassen immer noch fast bis 1m hoch.
Ebenso gab es schwere Schäden in der Landwirtschaft und vor allem in Privatgärten
Einige Gebäude im Randbereich der Siedlungen erlitten vor allem an den Nordseiten Schäden wie zerstörte Rolläden, abgeschlagener Putz und eingeschlagene Fensterscheiben und Dachfenster. Die zahlreichen südwärts ausgerichteten Solaranlagen im Ort waren dank des Nordwindes während des Hagelschlags gar nicht betroffen.